In Deutschland wird auf unterschiedliche Weisen an die Zeit des Nationalsozialismus und die Opfer des Holocaust erinnert. Eine Form der Erinnerung sind, die vom Kölner Künstler Gunter Demnig entwickelten „Stolpersteine“. Diese sind etwa 10 cm großen Quader mit einer gravierten Messingplatte, die an Personen erinnern, welche in der NS-Zeit vertrieben, deportiert und ermordet wurden. Auf dieser Platte befinden sich meistens der Name, das Geburtsdatum, sowie der Zielort der Deportation und das Sterbedatum.[1]Lücker, Nadine. „Der Konfliktbeladene Beitrag von Stolpersteinen zur Erinnerungskultur in Deutschland.“ In: Kunst, Klaas (Hrsg.). Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus: eine … Continue reading Die Stolpersteine werden an der Stelle verlegt, an der sich der letzte freiwillige Wohnort der deportierten Person befand.[2]Lücker, Nadine. „Der Konfliktbeladene Beitrag von Stolpersteinen zur Erinnerungskultur in Deutschland.“ In: Kunst, Klaas (Hrsg.). Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus: eine … Continue reading
Der erste Stolperstein in Göttingen befindet sich im Eingangsbereich des Wohnhauses an der Bühlstraße 4.[3]„Neun Orte Jüdischer Erinnerungskultur in Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 21.05.2022. URL: … Continue reading
Er ist der Jüdin Hedwig Steinberg gewidmet. Hedwig Steinberg wurde am 13. Juni 1867 in Hildburgshausen/Sachsen-Meiningen geboren. Seit 1915 lebte sie zusammen mit ihrem Ehemann Hugo Steinberg in der Bühlstraße 4.[4]Stadt Göttingen. „Stolperstein für Hedwig Steinberg.“ URL: … Continue reading
Am 21. Juli 1942 wurde sie zunächst in das Sammellager Hannover-Ahlem, von dort aus nach Theresienstadt und später nach Minsk deportiert. Da sich nach der letzten Deportation ihre Spuren verlieren, gilt sie als verschollen.[5]„Neun Orte Jüdischer Erinnerungskultur in Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 21.05.2022. URL: … Continue reading
Den Anstoß für das Projekt, Hedwig Steinberg einen Stolperstein zu widmen, stammte von der Klasse 10R1 der Bonifatius Schule. Im Rahmen der Projektwoche „Judentum in Stadt und Landkreis Göttingen“ untersuchten die Schüler:innen Hedwigs Schicksal.[6]„Stolpern über schlimme Taten.“ Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 20.06.2012. URL: https://www.hna.de/lokales/goettingen/stolpern-ueber-schlimme-taten-2359735.html/. Zuletzt abgerufen … Continue reading
Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und die Bewohner:innen des Hauses unterstützten das Projekt, sodass der Hedwig Steinberg gewidmete Stolperstein am 26. Mai 2012 verlegt wurde.[7]Barke, Jörn. „Stolpersteine für Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 17.01.2015. URL: https://www.geschichtsverein-goettingen.de/fileadmin/bilder/aktuelles/20150117_GT_Stolpersteine.pdf/. Zuletzt … Continue reading
Einige jüdische Vereine kritisieren das Projekt der Stolpersteine. So betont die jüdische Kulturgemeinde Göttingen und Südniedersachsen e. V., dass durch die im Boden eingelassenen „Stolpersteine“ sowohl der jüdischen Kultur als auch den Opfern des Nationalsozialismus eine „weitere Schmach“ bereitet würde,[8]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210. da sie so übergangen würden.[9]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210.
Diese Debatte ist keine Ausnahme: Das Verlegen von Stolpersteinen wird vielfach hinterfragt und diskutiert.[10]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210.
Autor:innen: Tabea Diedrich, Finn König, Cedric Müller, Fiona Riede.
In Germany, the period of National Socialism and the victims of the Holocaust are commemorated in various ways. One form of remembrance are the Stolpersteine developed by Cologne artist Gunter Demnig. These are cuboids of approximately 10 cm, covered by an engraved brass plate that commemorate persons who suffered under the National Socialism. They are not only for Jews, but for those who were persecuted, expelled, deported and/or murdered during the Nazi era. The plate usually bears the name, date of birth, deportation destination and date of death.[11]Lücker, Nadine. „Der Konfliktbeladene Beitrag von Stolpersteinen zur Erinnerungskultur in Deutschland.“ In: Kunst, Klaas (Hrsg.). Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus: eine … Continue reading The Stolpersteine are laid at the place where the last voluntary residence of the deported person was located.[12]Lücker, Nadine. „Der Konfliktbeladene Beitrag von Stolpersteinen zur Erinnerungskultur in Deutschland.“ In: Kunst, Klaas (Hrsg.). Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus: eine … Continue reading
The first Stolperstein in Göttingen is located in the entrance area of the residential building at Bühlstraße 4, and is dedicated to the Jewish woman Hedwig Steinberg.[13]„Neun Orte Jüdischer Erinnerungskultur in Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 21.05.2022. URL: … Continue reading
Hedwig Steinberg was born on June 13th, 1867 in Hildburgshausen/Sachsen-Meiningen. Since 1915 she lived at Bühlstraße 4 with her husband, Hugo Steinberg.[14]Stadt Göttingen. „Stolperstein für Hedwig Steinberg.“ URL: … Continue reading On July 21st, 1942, she was deported, first to the Hanover-Ahlem collection camp, from there to Theresienstadt and later to Minsk. Since her traces were lost after the last deportation, she is considered missing.[15]„Neun Orte Jüdischer Erinnerungskultur in Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 21.05.2022. URL: … Continue reading
The impetus for the project to dedicate a stumbling block to Hedwig Steinberg came from class 10 R1 at the Bonifatius School. As part of their project week „Judaism in the city and district of Göttingen“, the pupils investigated the fate of Hedwig Steinberg.[16]„Stolpern über schlimme Taten.“ Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 20.06.2012. URL: https://www.hna.de/lokales/goettingen/stolpern-ueber-schlimme-taten-2359735.html/. Zuletzt abgerufen … Continue reading The Society for Christian-Jewish Cooperation and the residents of the house supported and realized the memorial project. The Stolperstein dedicated to Hedwig Steinberg was installed on May 26th, 2012.[17]Barke, Jörn. „Stolpersteine für Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 17.01.2015. URL: https://www.geschichtsverein-goettingen.de/fileadmin/bilder/aktuelles/20150117_GT_Stolpersteine.pdf/. Zuletzt … Continue reading
Some Jewish associations criticize the Stolpersteine project. The Jewish Cultural Community of Göttingen and Southern Lower Saxony, for example, emphasizes that embedding the Stolpersteine in the ground could cause „further shame“ to both Jewish culture and the victims of National Socialism.[18]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210. They point out that pedestrians potentially could trample on these „stones“ and in the process the persons remembered would be ignored and shamed.[19]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210. This debate in Göttingen is no exception: the installation of Stolpersteine is often questioned elsewhere and continually being discussed.[20]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210.
Authors: Tabea Diedrich, Finn König, Cedric Müller, Fiona Riede.
Translation: Irene Schultens.
Die Geschichte von Hedwig Steinberg, einer Jüdin, die in Göttingen lebte, ist ein Beispiel für die Verfolgung und das Schicksal vieler Menschen während des Holocaust.
Hedwig galt unter ihren Zeitgenossen als eine in vielen Bereichen tatkräftige und engagierte Frau. Sie war eine Mitbegründerin und später zweite Vorsitzende des 1904 gegründeten Göttinger Vereins „Frauenbildung“.[21]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210.
Der Verein setzte sich für den Kampf um politische Rechte für Frauen ein. Außerdem bot er Bildungs- sowie Berufsprogramme für Frauen an. Die Vereinsmitglieder setzen sich für die „Verbesserung des gesamten Mädchenschulwesens“[22]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210. ein und wollten der weiblichen Jugend die gleiche Vorbildung für die Hochschule ermöglichen wie Männern. Der Verein bot zudem Fortbildungskurse für Lehrerinnen an.[23]Blümel, Günter und Wolfgang Natonek. „Das edle Bestreben der breiten Masse zu nützen“: Beiträge zur Geschichte der Volkshochschule Göttingen. Göttingen: Universitäts-Verlag Göttingen, … Continue reading
Hedwig Steinberg richtete dort als zweite Vorsitzende unter anderem 1910 eine Auskunftsstelle für weibliche Berufe ein. Im Gegensatz zu der Arbeitsnachweisstelle der Stadtverwaltung kümmerte sich die Auskunftsstelle nicht um die Vermittlung von Hauspersonal und Arbeiterinnen, sondern um die weiblichen Angestellten und die Akademikerinnen, die zu dieser Zeit noch sehr rar waren.[24]Stadt Göttingen. „Stolperstein für Hedwig Steinberg.“ URL: … Continue reading
Des Weiteren erhielt der Verein auf ihre Initiative hin einen einmaligen Zuschuss von 50 Mark von der Stadt Göttingen.[25]Blümel, Natonek. „Das edle Bestreben der breiten Masse nützen.“ S. 34.
Hedwig Steinberg war für den Verein eine bedeutende Person und ermöglichte durch ihre Arbeit Frauen eine bessere Bildungschance und Berufsperspektive.
Der „Stolperstein“ vor ihrem ehemaligen Wohnhaus ist bisher der einzige Ort, an dem an sie erinnert wird.
Autor:innen: Tabea Diedrich, Finn König, Cedric Müller, Fiona Riede.
The story of Hedwig Steinberg, a Jewish woman who lived in Göttingen, is an example of the persecution and fate of many people during the Holocaust.
By her contemporaries, Hedwig Steinberg was regarded as an energetic woman dedicated in many areas. She was a co-founder and later second chairwoman of the Göttingen association Frauenbildung (Women’s Education), founded in 1904.[26]Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210. The association campaigned for political rights for women and also offered educational and vocational programs for women. The members of the association campaigned for the „improvement of the entire girls‘ school system“ and wanted to give young women the same university education as men. The association also offered training courses for female teachers.[27]Blümel, Günter und Wolfgang Natonek. „Das edle Bestreben der breiten Masse zu nützen“: Beiträge zur Geschichte der Volkshochschule Göttingen. Göttingen: Universitäts-Verlag Göttingen, … Continue reading
In 1910, Hedwig Steinberg, as the second chairwoman, set up an information center for female professions. In contrast to the city administration’s employment information office, their information office did not deal with the placement of domestic staff and female workers, but with female employees and academics, still very rare at that time.[28]Stadt Göttingen. „Stolperstein für Hedwig Steinberg.“ URL: … Continue reading Furthermore, through her initiative, the association received a one-off grant of 50 marks from the city of Göttingen.[29]Blümel, Natonek. „Das edle Bestreben der breiten Masse nützen.“ S. 34. Hedwig Steinberg was an important person for the association and her work gave women better educational opportunities and career prospects.
So far, the Stolperstein in front of her former home is the only location commemorating her.
Authors: Tabea Diedrich, Finn König, Cedric Müller, Fiona Riede.
Translation: Irene Schultens.
↑1, ↑2, ↑11, ↑12 | Lücker, Nadine. „Der Konfliktbeladene Beitrag von Stolpersteinen zur Erinnerungskultur in Deutschland.“ In: Kunst, Klaas (Hrsg.). Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus: eine Forschungskooperation mit Studierenden der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. Göttingen: Georg-August-Universität Göttingen, 2020. S. 206. |
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↑3, ↑5, ↑13, ↑15 | „Neun Orte Jüdischer Erinnerungskultur in Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 21.05.2022. URL: https://www.goettinger-tageblatt.de/lokales/goettingen-lk/goettingen/neun-orte-judischer-erinnerungskultur-in-gottingen-MOHWZP4R4FR5OSXFECEYI6Z7G4.html/. Zuletzt abgerufen am: 22.08.2023. |
↑4, ↑14, ↑24, ↑28 | Stadt Göttingen. „Stolperstein für Hedwig Steinberg.“ URL: https://www.goettinger-tageblatt.de/lokales/goettingen-lk/goettingen/neun-orte-judischer-erinnerungskultur-in-gottingen-MOHWZP4R4FR5OSXFECEYI6Z7G4.html/. Zuletzt abgerufen am: 25.08.2023. |
↑6, ↑16 | „Stolpern über schlimme Taten.“ Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 20.06.2012. URL: https://www.hna.de/lokales/goettingen/stolpern-ueber-schlimme-taten-2359735.html/. Zuletzt abgerufen am: 23.08.2023 |
↑7, ↑17 | Barke, Jörn. „Stolpersteine für Göttingen.“ Göttinger Tageblatt, 17.01.2015. URL: https://www.geschichtsverein-goettingen.de/fileadmin/bilder/aktuelles/20150117_GT_Stolpersteine.pdf/. Zuletzt abgerufen am: 23.08.2023 |
↑8, ↑9, ↑10, ↑18, ↑19, ↑20, ↑21, ↑22, ↑26 | Lücker, „Stolpersteine.“ S. 210. |
↑23, ↑27 | Blümel, Günter und Wolfgang Natonek. „Das edle Bestreben der breiten Masse zu nützen“: Beiträge zur Geschichte der Volkshochschule Göttingen. Göttingen: Universitäts-Verlag Göttingen, 2016. S. 33. |
↑25, ↑29 | Blümel, Natonek. „Das edle Bestreben der breiten Masse nützen.“ S. 34. |