Denkmal für die Zwangsarbeiter:innen auf dem Ehrenfriedhof
„Auch Zwangsarbeitergräber sind Kriegsgräber“
Das Denkmal für die Zwangsarbeiter:innen auf dem Göttinger Stadtfriedhof in der Kasseler Landstraße gedenkt allen Menschen, die von 1939 bis 1945 aus ihrer Heimat verschleppt wurden, in Göttingen Zwangsarbeit leisten mussten und dabei ihr Leben ließen.
Erinnernd an einen großen Grabstein, symbolisiert der dunkelgraue Gedenkstein die 166 auf dem Friedhof liegenden unmarkierten Gräber von Zwangsarbeiter:innen. Auf Wunsch der Stadtverwaltung ist das Denkmal unauffällig gestaltet. Auf diese Weise soll er sich sowohl in das Friedhofsbild als auch in die Göttinger Denkmallandschaft einfügen.[1]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading
Der Gedenkstein wurde am 8. Mai 2023 enthüllt. Der 8. Mai ist der Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht. Er markiert die Befreiung Deutschlands vom Nazi-Regime und das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa.[2]„Denkmal für die Zwangsarbeiter:innen: Enthüllung am 8. Mai.“ URL: https://www.goettingen.de/portal/meldungen/denkmal-fuer-die-zwangsarbeiter-innen-enthuellung-am-8-mai-900001802-25480.html/. … Continue reading
Die Gestaltung des Denkmals stellte einen Streitpunkt zwischen der Stadtverwaltung Göttingen und der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA)“ dar. Da die Gräber der Zwangsarbeiter:innen nicht gekennzeichnet sind, sprach sich die VVN-BdA für eine weitere Gedenktafel mit Namensliste der Begrabenen aus. Trotz des Angebots der VVN-BdA, die Hälfte der Kosten für den Bau und die Reinigung einer zusätzlichen Tafel zu übernehmen, lehnte die Stadt das Angebot ab. Stattdessen installierten die Verantwortlichen eine Stele mit einem QR-Code. Dieser verweist auf eine digitale Namensliste.[3]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading
Die VVN-BdA protestierte gegen diese Entscheidung, indem sie am Enthüllungstag Namensschilder der begrabenen Zwangsarbeiter:innen neben dem Denkmal aufstellten auf. Ein Mitglied des VVN-BdA forderte, die Gräber der Zwangsarbeiter:innen ebenso zu kennzeichnen, wie die auf dem Friedhof liegenden Soldatengräber. Da ihre Gräber nicht mehr als solche zu erkennen seien, könne den Zwangsarbeiter:innen sonst nicht angemessen gedacht werden.[4]Matthies, Mailin. „Gedenkstein für Zwangsarbeiter:innen in Göttingen enthüllt.“ Stadtradio Göttingen, 02.05.2023. URL: … Continue reading
Autor:innen: Fenja Pophanken, Vanessa Bokelmann und Jannik Meier
Memorial to forced laborers at the city cemetery of honour
The memorial to the forced laborers at the Göttingen city cemetery on Kasseler Landstraße commemorates all those who were deported from their homeland between 1939 and 1945, were forced to perform labor in Göttingen, and lost their lives in the process.
Reminiscent of a large gravestone, the design on the dark gray memorial stone symbolizes the 166 unmarked graves of forced laborers in the cemetery. At the request of the city council, the memorial is designed to be unobtrusive. In this way, it is intended to blend in with both the cemetery and the Göttingen memorial landscape.[5]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading It is located near the memorial to the 39 Eastern European forced laborers who died January 1, 1945 as a result of an Allied bombing raid on the Göttingen train station.
The memorial stone was unveiled on May 8, 2023. May 8th is the anniversary of the unconditional surrender of the Wehrmacht. It marks the liberation of Germany from the Nazi regime and the end of the Second World War in Europe.[6]„Denkmal für die Zwangsarbeiter:innen: Enthüllung am 8. Mai.“ URL: https://www.goettingen.de/portal/meldungen/denkmal-fuer-die-zwangsarbeiter-innen-enthuellung-am-8-mai-900001802-25480.html/. … Continue reading
The design of the memorial was a point of contention between the Göttingen city council and the Association of Persecutees of the Nazi Regime – League of Anti-Fascists (VVN-BdA). As the graves of the forced laborers are not marked, the VVN-BdA called for an additional memorial plaque with a list of the names of those buried. In spite of the VVN-BdA’s offer to cover half of the costs for the construction and cleaning of an additional plaque, the city rejected the offer. Instead, those responsible installed a stele with a QR code. This leads to a digital list of the victims names.[7]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading
The VVN-BdA protested this decision by placing nameplates of the buried forced laborers in the lawn next to the monument on the day of the unveiling. During the ceremony a member of the VVN-BdA called for the graves of the forced laborers to be marked in the same way as soldiers‘ graves are in the cemetery. Because the victims graves had been leveled, their resting place was no longer recognizable as a grave yard, and only with such grave markers could the forced laborers be properly commemorated.[8]Matthies, Mailin. „Gedenkstein für Zwangsarbeiter:innen in Göttingen enthüllt.“ Stadtradio Göttingen, 02.05.2023. URL: … Continue reading
Authors: Fenja Pophanken, Vanessa Bokelmann, Jannik Meier.
Translation: Irene Schultens.
Hintergrund – Leben und Tod in der Zwangsarbeit
In Göttingen leisteten ca. 14.700 zivile Arbeiter:innen und Kriegsgefangene Zwangsarbeit. Etwa 10.000 dieser Menschen stammte aus dem östlichen Europa. Der Rest von ihnen war aus Frankreich, den Niederlanden und Belgien nach Deutschland gekommen. Sie arbeiteten in der Rüstungsindustrie, im Gewerbe, in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen und in Privathaushalten. Ihre Alltagserfahrungen waren stark von ihrer Einstufung auf der nationalsozialistischen Rassenhierarchie abhängig.[9]Tollmien, Cordula. „Projekt NS-Zwangsarbeiter: Gesamtzahl Schätzung.“ URL:
https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_gesamtzahl.htm/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023.
Insgesamt sind in den Jahren 1940 bis 1945 in Göttingen 275 Todesfälle von Zwangsarbeiter:innen registriert. 164 davon arbeiteten in Göttingen direkt, der Rest stammte aus den umliegenden Gebieten Göttingens. Die häufigsten Todesursachen waren Krankheiten und Misshandlungen. Auch gab es öffentlichen Hinrichtungen.[10]Tollmien, Cordula. „Projekt NS-Zwangsarbeiter: Sterblichkeit bei den Zwangsarbeitern und Todesursachen.“ URL: https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_geburten.htm/. Zuletzt abgerufen … Continue reading
Laut dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft von 1993 erhalten Kriegsgräber dauerhaftes Ruherecht. Darunter fallen auch die Gräber von Zwangsarbeiter:innen. Dennoch wurden in den Jahren 1970 bis 1976 36 Gräber eingeebnet. Die Hintergründe der Einebnung sind in den Beschlüssen der Stadt Göttingen nicht gut genug dokumentiert, um das Vorgehen nachvollziehen zu können.[11]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading
Der Gedenkstein wurde am 8. Mai 2023 enthüllt. Der 8. Mai ist der Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht. Er markiert die Befreiung Deutschlands vom Nazi-Regime und das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa.[12]„Denkmal für die Zwangsarbeiter:innen: Enthüllung am 8. Mai.“ URL: https://www.goettingen.de/portal/meldungen/denkmal-fuer-die-zwangsarbeiter-innen-enthuellung-am-8-mai-900001802-25480.html/. … Continue reading
Darüber hinaus wurden die Gräber seit den 1970er-Jahren nicht als solche kenntlich gemacht. Laut Kriegsgräbergesetz müssen persönliche Angaben wie der Name, die Lebensdaten und die Nationalität der Toten permanent im öffentlichen Raum präsent sein.[13]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading Ein QR-Code kann diese Kennzeichnung nicht ersetzen, sondern nur um Informationen erweitern.
Autor:innen: Fenja Pophanken, Vanessa Bokelmann und Jannik Meier
Historical background - Life and death in forced labor
Around 14,700 civilian workers and prisoners of war performed forced labor in Göttingen. Around 10,000 of these people came from Eastern Europe. The rest of them had come to Germany from France, the Netherlands and Belgium. They worked in the arms industry, trade, agriculture, healthcare and in private households. Their everyday experiences were heavily dependent on their classification within the National Socialist racial hierarchy.[14]Tollmien, Cordula. „Projekt NS-Zwangsarbeiter: Gesamtzahl Schätzung.“ URL:
https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_gesamtzahl.htm/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023.
A total of 275 deaths of forced laborers are registered in Göttingen between 1940 and 1945. 164 of them worked directly in Göttingen, the rest came from the surrounding areas of Göttingen. The most common causes of death were illness and mistreatment. Public executions also took place.[15]Tollmien, Cordula. „Projekt NS-Zwangsarbeiter: Sterblichkeit bei den Zwangsarbeitern und Todesursachen.“ URL: https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_geburten.htm/. Zuletzt abgerufen … Continue reading
According to the 1993 “Act on the Preservation of the Graves of Victims of War and Tyranny”, war graves are granted permanent resting rights. This also includes the graves of forced laborers. Nevertheless, 36 graves were leveled between 1970 and 1976. The reasons for this leveling is not documented well enough in the City Council resolutions to be able to follow or understand the grounds for destroying the graves.[16]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading
Furthermore, the graves have not been marked as such since the 1970s. According to the War Graves Act, personal details such as name, life dates, and nationality of the dead must be permanently present in public spaces.[17]Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: … Continue reading A QR code cannot replace this marking but can only add information.
Authors: Fenja Pophanken, Vanessa Bokelmann, Jannik Meier.
Translation: Irene Schultens.
Informationen
Für weiterführende Informationen: Stadtarchiv Göttingen Cordula Tollmien Projekt NS-Zwangsarbeiter:
https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/
↑1, ↑3, ↑5, ↑7, ↑11, ↑13, ↑16, ↑17 | Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss Stadthalle. „Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof für dort beerdigte Zwangsarbeiter:innen.“ URL: https://www.goettingen.de/allris/vo020?VOLFDNR=24818/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023. |
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↑2, ↑6, ↑12 | „Denkmal für die Zwangsarbeiter:innen: Enthüllung am 8. Mai.“ URL: https://www.goettingen.de/portal/meldungen/denkmal-fuer-die-zwangsarbeiter-innen-enthuellung-am-8-mai-900001802-25480.html/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023. |
↑4, ↑8 | Matthies, Mailin. „Gedenkstein für Zwangsarbeiter:innen in Göttingen enthüllt.“ Stadtradio Göttingen, 02.05.2023. URL: https://www.stadtradio-goettingen.de/beitraege/politik/gedenkstein_fuer_zwangsarbeiterinnen_in_goettingen_enthuellt/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023. |
↑9, ↑14 | Tollmien, Cordula. „Projekt NS-Zwangsarbeiter: Gesamtzahl Schätzung.“ URL: https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_gesamtzahl.htm/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023. |
↑10, ↑15 | Tollmien, Cordula. „Projekt NS-Zwangsarbeiter: Sterblichkeit bei den Zwangsarbeitern und Todesursachen.“ URL: https://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_geburten.htm/. Zuletzt abgerufen am: 22.10.2023. |