Zwangsarbeiter:innen in Göttingen: IHR LEIDEN VERWEHRT VERGESSEN.
Das Denkmal für Zwangsarbeiter:innen in den Göttinger Kliniken steht auf dem Universitätsgelände in der Humboldtallee 19 vor dem alten Gebäude der ehemaligen Frauenklinik. Die Errichtung wurde 2002 vom Fakultätsrat des Bereichs Humanmedizin beschlossen und vom Verein der Freunde und Förderer der Medizinischen Fakultät der Georgia Augusta zu Göttingen e. V. finanziert.[1]Zimmermann, Volker (Hrsg.). Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2007. S. 296 f.
Der Gedenkstein wurde am 8. Mai 2008 eingeweiht. Er soll die Zwangsarbeiter:innen in den Kliniken würdigen.[2]„Erinnerungen an das Schicksal der Zwangsarbeiter/innen in der Göttinger Klinik“. Göttinger Stadtinfo, 06.05.2008. URL: https://goest.de/medizin_geschichte.htm/. Zuletzt abgerufen am: … Continue reading Allerdings ist es das einzige Denkmal an der Universität, dass sich diesem Thema widmet. Generell wird das Thema Zwangsarbeit in den medizinischen Einrichtungen in Göttingen während des Nationalsozialismus wenig thematisiert und kaum daran erinnert.[3]Nolte, Karen und Jörg Janeen. „Gedächtnisort im Alltag – Überlegungen zum Gedenken an die Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.“ In: Zimmermann, Volker (Hrsg.). Leiden verwehrt … Continue reading
Der Gedenkstein trägt die Überschrift „IHR LEIDEN VERWEHRT VERGESSEN“. Mittig ist ein Informationstext zum historischen Hintergrund des Denkmals. Im unteren Bereich steht „WIR VERNEIGEN UNS VOR DEN OPFERN“.
Eine Diskussion entstand gleich bei der Einweihung, da weder Betroffene noch die studentischen Initiator:innen eingeladen wurden.[4]„Erinnerungen an das Schicksal der Zwangsarbeiter/innen in der Göttinger Klinik“. Göttinger Stadtinfo, 06.05.2008. URL: https://goest.de/medizin_geschichte.htm/. Zuletzt abgerufen am: … Continue reading Insbesondere wurde kritisiert, dass die Veranstaltung, die „öffentlich historische Verantwortung“ zeigen sollte, lediglich im internen Kreis des Universitätsklinikums stattfand. 2019 wurde das Denkmal mit germanischen Runen beschmiert, welche von der rechtsextremistischen Szene genutzt werden. Mit diesen Zeichen verhöhnten die Verursacher:innen das Leben und Leiden der Zwangsarbeiter:innen. Linke Kreise in Göttingen befürchteten, dass das Denkmal ein Treffpunkt von rechtsextremistischen Gruppen werden könnte.[5]Heinzl, Matthias. „Runen auf Zwangsarbeiter-Denkmal gesprüht.“ Göttinger Tageblatt, 14.01.2019. URL: … Continue reading
In den Jahren 1940 bis 1945 wurden rund 120 Zwangsarbeitende in den Universitätskliniken eingesetzt. Diese waren vor allem Frauen aus Polen, der Ukraine und Russland. Viele von ihnen waren unter 22 Jahren alt. Die Zwangsarbeiter:innen waren vor allem im Pflegebereich, der Küche, der Wäscherei und im Garten tätig.[6]Kammerer, Leanore, Sigmund, Elena-Maria und Bermal Uygur. „Erinnerungskultur an Zwangsarbeiterinnen. Die Umbenennungen von Straßennamen und die Errichtung von Denkmälern in Göttingen“. … Continue reading
Schwangere Zwangsarbeiterinnen wurden aus den großen Lagern zur Frauenklinik als sogenannte „Hausschwangere“ gebracht und teilweise sogar als „Lehrmaterial“ missbraucht.[7]Geschichtswerkstatt Göttingen e.V. Gesundheit: Versorgen und Versorgung, Schwangerschaften und Abtreibungen. In: Geschichtswerkstatt Göttingen ev. (Hrsg.): Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. … Continue reading
Die Zwangsarbeiter:innen arbeiteten unter menschenunwürdigen Bedingungen, die bei einigen zu Krankheiten, psychischen Belastungen und auch zum Tod führten. Nicht auszuschließen ist außerdem, dass die Arbeiter:innen vor, während und nach der Arbeit körperlich und geistig missbraucht wurden.
Autor:innen: Annika Münstermann, Sophia Helms, Lorina Marwedel und Marlene Samel.
The memorial to forced laborers in the Göttingen clinics is located on the university campus at Humboldtallee 19 in front of the old building of the former women’s clinic. Its conception and realization was decided in 2002 by the Faculty Council of the Department of Human Medicine and financed by the Association of Friends and Sponsors of the Medical Faculty of Georgia Augusta in Göttingen.[8]Zimmermann, Volker (Hrsg.). Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2007. S. 296 f.
The commemorative stone was unveiled on May 8, 2008. It is intended to pay tribute to the forced laborers in the university clinics.[9]„Erinnerungen an das Schicksal der Zwangsarbeiter/innen in der Göttinger Klinik“. Göttinger Stadtinfo, 06.05.2008. URL: https://goest.de/medizin_geschichte.htm/. Zuletzt abgerufen am: … Continue reading However, it is the only memorial at the university that is dedicated to this topic. In general, the topic of forced labor in the medical facilities in Göttingen during National Socialism is rarely addressed and hardly remembered.[10]Nolte, Karen und Jörg Janeen. „Gedächtnisort im Alltag – Überlegungen zum Gedenken an die Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.“ In: Zimmermann, Volker (Hrsg.). Leiden verwehrt … Continue reading
The memorial stone bears the caption „Their suffering denied forgotten“. In the center is an information text on the historical background referred to by this memorial. At the bottom is the text „We bow down in reverence before these victims“.
A discussion quickly arose concerning the inauguration, as neither those affected (former slave laborers) nor the student initiators had been invited.[11]„Erinnerungen an das Schicksal der Zwangsarbeiter/innen in der Göttinger Klinik“. Göttinger Stadtinfo, 06.05.2008. URL: https://goest.de/medizin_geschichte.htm/. Zuletzt abgerufen am: … Continue reading In particular, it was criticized that the event, which was suppose to document „public historical responsibility“, had only taken place within the internal circle of the University Hospital. In 2019, the memorial was smeared with Germanic runes, which belong to the right-wing esoteric / extremist scene. With these signs, the perpetrators mocked the lives and suffering of these forced laborers. There was some fear in Göttingen that the memorial could become a meeting place for right-wing extremist groups.[12]Heinzl, Matthias. „Runen auf Zwangsarbeiter-Denkmal gesprüht.“ Göttinger Tageblatt, 14.01.2019. URL: … Continue reading
Between 1940 and 1945, around 120 forced laborers were deployed in the university hospitals. These were mainly women from Poland, Ukraine and Russia. Many of them were under 22 years old. The forced laborers were mainly employed in nursing tasks, in the surgery, in the kitchen, the laundry and in the garden. Pregnant forced laborers were brought from the large camps to the women’s clinic as so-called „in-house pregnant women“ and were sometimes even misused as „teaching material“.[13]Geschichtswerkstatt Göttingen e.V. Gesundheit: Versorgen und Versorgung, Schwangerschaften und Abtreibungen. In: Geschichtswerkstatt Göttingen ev. (Hrsg.): Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. … Continue reading
The forced laborers worked under inhumane conditions, which led to illness, psychological stress and even death. It cannot be ruled out that the workers were physically and mentally abused before, during, and after their work.
Authors: Annika Münstermann, Sophia Helms, Lorina Marwedel und Marlene Samel.
Translation: Irene Schultens.
↑1, ↑8 | Zimmermann, Volker (Hrsg.). Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2007. S. 296 f. |
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↑2, ↑4, ↑9, ↑11 | „Erinnerungen an das Schicksal der Zwangsarbeiter/innen in der Göttinger Klinik“. Göttinger Stadtinfo, 06.05.2008. URL: https://goest.de/medizin_geschichte.htm/. Zuletzt abgerufen am: 06.05.2023. |
↑3, ↑10 | Nolte, Karen und Jörg Janeen. „Gedächtnisort im Alltag – Überlegungen zum Gedenken an die Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.“ In: Zimmermann, Volker (Hrsg.). Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2007, S. 284 – 287. |
↑5, ↑12 | Heinzl, Matthias. „Runen auf Zwangsarbeiter-Denkmal gesprüht.“ Göttinger Tageblatt, 14.01.2019. URL: https://www.goettinger-tageblatt.de/lokales/goettingen-lk/goettingen/runen-auf-zwangsarbeiter-mahnmal-gesprueht-4MAMIM6GCHT3NQ2N2UD3MEZKAE.html/. Zuletzt abgerufen am: 06.05.2023. |
↑6 | Kammerer, Leanore, Sigmund, Elena-Maria und Bermal Uygur. „Erinnerungskultur an Zwangsarbeiterinnen. Die Umbenennungen von Straßennamen und die Errichtung von Denkmälern in Göttingen“. Göttingen 2019. URL: https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/f9aeb61ca82c4cd8c0eb5eee14678e81.pdf/Erinnerungskultur%20ZwangsarbeiterInnen%20Stra%C3%9Fennamen%20Kammerer%20Siegmund%20Uygur.pdf/. Zuletzt abgerufen am: 06.05.2023. |
↑7, ↑13 | Geschichtswerkstatt Göttingen e.V. Gesundheit: Versorgen und Versorgung, Schwangerschaften und Abtreibungen. In: Geschichtswerkstatt Göttingen ev. (Hrsg.): Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939–1945. URL: https://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/virtuelle-ausstellung/gesundheit/gesundheitliche-versorgung/einrichtungen-fuer-kleinkinder.html/. Zuletzt abgerufen am: 06.11.2023. |